Ein Haus für das Wohnprojekt findenSchritt für Schritt vom Luftschloss bis zum Einzug

Von der ersten Idee bis zum Einzug - wir zeigen einen möglichen Weg, wie ihr ein Haus für euer Wohnprojekt findet. Der Wissensartikel berücksichtigt beide Szenarien: als Projektgruppe in ein Bestandsgebäude ziehen oder gemeinsam neu bauen.

Einführung

Jedes Projekt ist einzigartig und die jeweilige Entwicklung ist eng mit äußeren Umständen, eigenen Ansprüchen und anderen Akteur*innen (Kommunen, Banken, Architekturbüros etc.) verknüpft. So entstehen individuelle Möglichkeiten, Wege und Entwicklungsprozesse. Um dennoch einen groben Überblick über zentrale Schritte zu bieten, beschreiben wir in diesem Artikel einen exemplarischen Entwicklungsprozess mit Fokus auf Immobilie und Grundstück.

Der Prozess, ein passendes Gebäude für euer Wohnprojekt zu finden, lässt sich grob in folgende Phasen aufteilen:

  1. Vom „Luftschloss“ träumen
  2. Suchkriterien entwickeln und loslegen
  3. Machbarkeit prüfen – Schritt 1
  4. Machbarkeit prüfen – Schritt 2
  5. Finale Verhandlungen und Kauf
  6. Entwurfsplanung
  7. Bau / Sanierung
  8. Einzug und Nutzung

Diese Prozessschritte orientieren sich an einem klassischen mittleren bis großen Wohnprojekt. Nicht alle Projektgruppen möchten gleich ein neues Haus bauen, manche Gruppen wollen auch „nur“ das Haus kaufen, in dem sie gerade zur Miete wohnen, und als Wohnprojekt weiterbetreiben. Dann ist das „richtige“ Haus bereits gefunden, und es geht vor allem darum, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. Andere Gruppen wiederum entscheiden sich dafür, ein Wohnprojekt zur Miete anzustreben. Dann müssen Kooperationspartner*innen bzw. Investor*innen aus der Wohnungswirtschaft gefunden werden, die den Bau übernehmen, um danach das Gebäude zur Verfügung zu stellen.

Grundsätzlich werdet ihr im Laufe des Prozesses mit einer Reihe von Expert*innen zusammenarbeiten, die euch mit Rat und Tat zur Seite stehen, u.a. Architekt*innen, Jurist*innen, Mitarbeitende aus Kommunen und Banken, sowie Wohnprojektberater*innen. Wann und zu welchen Themen ihr Unterstützung braucht, findet ihr im Verlauf eures Entwicklungsprozesses heraus. 

In acht Schritten vom Luftschloss bis zum Einzug

1. Vom „Luftschloss“ träumen

Bevor die Suche nach einem passenden Grundstück oder einer Immobilie losgehen kann, sollte eine momentane Kerngruppe entstehen, mit der ihr gemeinsam die nächsten Schritte gehen möchtet und in der ihr euch auf eine gemeinsame Vision eures Projektvorhabens geeinigt habt: An welchem Ort oder in welcher Region möchtet ihr leben, was soll alles an diesem Ort passieren, wie viele Menschen sollen einziehen, soll neu gebaut oder ein Bestandsobjekt bezogen werden, kurz: wie sieht euer gemeinsamer Traum vom Zusammenleben aus? Am besten, ihr erstellt aus euren gemeinsamen Ideen ein Visionspapier oder – noch konkreter – ein Projektkonzept. Diese Abstimmungsprozesse und Richtungsentscheidungen helfen, sich mit einem möglichst klaren Bild vor Augen auf die Suche zu begeben.

2. Suchkriterien entwickeln und loslegen

Aus dem Projektkonzept können Suchkriterien für ein Grundstück oder Haus abgeleitet werden. Dabei solltet ihr euch die Zeit nehmen, MUSS und KANN-Kriterien in der Gruppe zu besprechen, damit alle in die gleiche Richtung suchen. Auch die finanziellen Möglichkeiten der Gruppe sind natürlich zu berücksichtigen. Dafür ist es notwendig, einen Überblick zu haben, wer aus der Gruppe wie viel Geld aufbringen kann. 

Um Grundstücke und Immobilien zu finden, gibt es verschiedene Möglichkeiten: 

  • Suche über die herkömmlichen Immobilienportale
  • Angebot großer Wohnungsunternehmen prüfen
  • Kommunale Anlaufstellen zu gemeinschaftlichem Wohnen kontaktieren; in einigen Städten gibt es Konzeptvergabeverfahren für Grundstücke, dort haben gemeinschaftliche Initiativen oft gute Chancen
  • (Zwangs-)Versteigerungen von Immobilien im Blick behalten
  • Leerstandsregister/-melder recherchieren
  • Auf Kirchengemeinden zugehen – manchmal gibt es Gemeindehäuser oder ähnliches, die nicht mehr genutzt und gerne im Erbbaurecht vergeben werden 
  • Aushänge, informelle Wege und persönliche Kontakte nutzen – vielleicht ist ein „Glückstreffer“ dabei

Die Suche nach einem geeigneten Objekt kann lange dauern – durchaus mehrere Jahre. Es ist ganz normal, dass sich auch die (Kern)Gruppe in diesem Zeitraum immer wieder verändert. Bleibt in Kontakt miteinander und überprüft regelmäßig eure gemeinsame Richtung. 

Wenn ihr etwas gefunden habt, das infrage kommt, gilt es auf die Eigentümer*innen zuzugehen. Oft ist es gar nicht so einfach, an Informationen über die Eigentümer*innen zu gelangen – hier also nicht entmutigen lassen und etwas Zeit und eine kreative Recherche mit einplanen. 

Die wichtigen Fragen sind dann: Ist die Immobilie zu haben? Was wäre der Kaufpreis? Sind die Eigentümer*innen bereit, das Haus für die Gruppe zu reservieren? Eine Grundstücksreservierung ist eine hilfreiche Option, die der Gruppe mehr Zeit verschafft, offene Fragen zu klären, eine Rechtsform zu gründen und die Finanzierung aufzustellen.

3. Machbarkeit prüfen – Schritt 1

Beim Prüfen der Machbarkeit kommen die Aspekte Rechtsform, Finanzierung und Immobilie zusammen. Punktuell kann es bereits sinnvoll sein, ein Architekturbüro hinzuzuziehen. Aus eurem Projektkonzept wird nun eine grobe Projektskizze, die euch hilft herauszufinden, ob das anvisierte Grundstück oder Haus wirklich infrage kommt: Lässt sich das geplante Konzept hier überhaupt realisieren? Gibt es beispielsweise genügend Fläche, um alle beteiligten Parteien und gewünschten Gemeinschaftsräume und -gärten unterzubringen? Wenn sich diese Fragen mit „Ja“ beantworten lassen, geht es mit der Sichtung des Grundbuchs und der architektonischen Grundlagenermittlung weiter um Aufschluss über mögliche problematische Altlasten auf dem Grundstück zu erhalten und herauszufinden, ob das Vorhaben umsetzbar ist. Außerdem geht es in die konkretere Finanzkonzeption mit all ihren Bausteinen wie Eigenkapital, Förderungen, Bankkrediten und Nachrangdarlehen.

Wichtige Grundlage für diese Prozesse ist die Wahl einer passenden Rechtsform, die so gut wie möglich zu euch als Gruppe und zu eurem inhaltlichen, baulichen und finanziellen Konzept passen sollte.

Tipp: Beratung einholen

Damit ihr den Überblick nicht verliert, stehen euch Wohnprojektberater*innen zur Seite. Findet eine Person, die zu eurer Gruppe passt und die euch im Prozess unterstützen kann. Ihr könnt euch zu einzelnen Themenschwerpunkten, wie Rechtsform, Gruppe und Struktur, Immobilie oder Finanzierung beraten lassen oder eine*n Wohnprojektberater*in finden, die euren Prozess kontinuierlich begleitet. 

Berater*in finden

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4. Machbarkeit prüfen – Schritt 2

Die Planungen werden jetzt konkreter – in enger Zusammenarbeit mit einem Architekturbüro. Das Büro wird beauftragt, einen architektonischen Vorentwurf zu erstellen. Hierzu werden mehrere Entwürfe und Varianten passend zu euren Ansprüchen an die Immobilie entwickelt. Die Architekt*innen führen Gespräche mit der Kommune, erstellen bei Bedarf eine Bauvoranfrage und stellen sicher, dass die baurechtlichen Themen geklärt werden. Für die Voranfrage werden bereits Fachplanende durch das Architekturbüro mit ins Boot geholt, beispielsweise für Vermessung, Statik und Energieberatung. Grundsätzlich ist zu beachten: Je komplexer ein Vorhaben ist, desto teurer ist es in der Regel bereits in der Planung!

An dieser Stelle werden auch die Kosten eures Vorhabens immer klarer und ihr könnt mit Banken und Fördergebenden konkreter über die verschiedenen Möglichkeiten einer gemeinsamen Realisierung sprechen. Das Finanzkonzept gewinnt Form und Konsistenz.

5. Finale Verhandlungen und Kauf

Ähnlich wie auch bei anderen Kaufverhandlungen finden oft mehrere Gespräche zwischen Kaufinteressent*innen und Verkäufer*in statt, um die Details zu besprechen. Dabei hilft es einerseits, als Gruppe so viele Fragezeichen wie möglich geklärt zu haben, um bewerten zu können, ob der Kaufpreis realisierbar ist. Andererseits kann auch euer Projektkonzept für die Verkäufer*in ein wichtiges Argument für euch als Interessent*innen sein und euch ggf. eine Reservierungserklärung ermöglichen, um die restlichen Fragen zu klären und sich mit der*dem Verkäufer*in auf einen Kaufpreis zu einigen. 

Die finalen Verhandlungen sind also ein kritischer Punkt, der gut vorbereitet sein will  – bis der Kauf unter Dach und Fach ist, kann es schließlich immer noch passieren, dass etwas anders kommt als geplant.

Umso mehr ist der Kauf des Hauses oder Grundstücks also nicht nur ein wichtiger juristischer Akt, sondern auch ein großer Anlass zum Feiern! Die Kaufsumme ist beisammen, die Vertragsparteien sind einig. Mit dem Abschluss des Kaufs wird eine große Unsicherheitskomponente ausgeräumt. Die Gruppe ist jetzt auf einen konkreten Ort festgelegt. Gleichzeitig werden nun die Spielräume für Umorientierungen in der Projektgestaltung zunehmend geringer: Die wichtigsten Entscheidungen werden vor dem Kauf getroffen, danach wird vor allem ausgeführt.

Für Bestandsprojekte folgt auf den Kauf der Einzug, gegebenenfalls mit einem Umbau oder einer Sanierung. Für Neubauprojekte geht es mit der Entwurfs- und Genehmigungsplanung weiter.

7. Entwurfsplanung

Mit großen Schritten geht es auf die Umsetzung des Bauvorhabens zu. Vom Architekturbüro wird der Bauantrag zusammengestellt und eingereicht. Bis die Genehmigung vorliegt, kann es noch etwas dauern - einige Monate, bei größeren Projekten auch ein bis anderthalb Jahre. Parallel wird die Bauausführung zusammen mit den Architekt*innen geplant. Nun wird die Planung so konkret, dass ihr eure Badezimmerfliesen aussuchen dürft. Hier gilt: je weniger individuelle Wünsche ihr in eure Grundrissplanung und den Innenausbau mit aufnehmt, desto günstiger wird die Planung und Umsetzung. Außerdem stärkt ein gemeinsam entwickelter, einheitlicher Standard die gemeinschaftlichen Aspekte eurer Immobilie. 

8. Bau / Sanierung

Die Baugenehmigung ist da und die Ausführungsplanung steht. Endlich kann mit dem Bau begonnen werden! Für die Umsetzung des Vorhabens kommt eine weitere Rolle hinzu: Die Projektsteuerung koordiniert alle am Bau beteiligten Fachplanenden.. Sie vertritt die Gruppe als Auftraggeberin, deckt die Kommunikationsbedarfe zwischen den Fachplanenden ab und übernimmt Aufgaben wie das Zeit- und Finanzcontrolling. Neben der Bauleitung sorgt die Projektsteuerung für einen flüssigen Ablauf der Planungs- und Bauphase und findet dort Lösungen, wo sie gebraucht werden. Manche Gruppen entscheiden sich dafür, die Projektsteuerung selbst zu übernehmen – das ist eine zeitintensive, verantwortungsvolle Aufgabe deren gruppeninterne Übernahme Kosten sparen kann, aber wohl überlegt und gut abgestimmt sein sollte.

Auch die so genannte Muskelhypothek / Eigenleistung kann vermeintlich Kosten sparen. Dieser Punkt sollte allerdings mit Vorsicht eingeplant werden, da Fragen der Expertise, Gewährleistung und letztendlich der tatsächlichen (Zeit)Ersparnis in der Ausführung aufkommen können. Für die Gemeinschaftsbildung und das Gruppengefühl können gemeinsame Aktionen im Bauprozess schöne und wertvolle Momente sein.

9. Einzug und Nutzung - ein gemeinsames Zuhause!

Mit dem Einzug wird ein lange vorbereiteter Traum wahr, der gemeinsam gefeiert wird! Bis alles eingerichtet ist und gemeinsame Strukturen etabliert sind, braucht es meist noch einige Zeit. Mit dem Übergang ins Wohnen geht das „Abenteuer Wohnprojekt“ in die längste Phase über – und diese Phase will ebenso wie der Prozess vor dem Einzug gemeinsam gestaltet werden.

Autor*in
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Wir (Ronja Bader und Linda Neumeier) begleiten als Büro für Beratung, Entwicklung und Steuerung Gruppen, die gemeinschaftlich Wohnen, Arbeiten und Leben möchten.

Wie gelingt ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes und friedliches Miteinander? Antworten entstehen, wenn viele Menschen gemeinsam Wege erproben und über die eigene Gruppe hinaus wirken. Mit Haltung, Methodik und Wissen unterstützen wir diesen Prozess – so entfalten sich im Miteinander Potenziale, die Utopisches möglich machen.

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