Helene Rettenbach ist Coautorin der trias Broschüre „Der Gemeinschaftsraum – Erfahrungen zu Konzeption, Planung und Betrieb". Ihr besonderes Interesse gilt der Wechselwirkung zwischen Menschen und den Räumen, in denen sie leben. Mehr als 30 Jahre hat sie gemeinschaftliche Wohnprojekte zur Gruppenentwicklung und Konzeption beraten.
Der Gemeinschaftsraum für WohnprojekteLeitfragen für dein Wohnprojekt

Einführung
Gemeinschäftsräume in Wohnprojekten haben eine zentrale Rolle für die Projektgruppe. Aber: Gemeinschaftsräume stellen Gemeinschaft nicht automatisch her. Sie sind kein Ersatz für die Motivation und das Engagement der Bewohner*innen, sie erleichtern und unterstützen aber den Austausch und das Zusammenleben der Gruppe.
In diesem Wissensartikel zeigen wir euch anhand von Leitfragen, welche Fragestellungen ihr am besten in eurer Gruppe in den Phasen der Konzeption, Planung und des Betriebs eines Gemeinschaftsraum frühzeitig klärt.
Konzeption
Im Konzept für den Gemeinschaftsraum bündeln sich die unterschiedlichen Wünsche und Vorstellungen der Gruppenmitglieder. Bei der Entscheidungsfindung zu ökonomischen, ökologischen, funktionalen, ästhetischen und sozialen Fragen lernen die späteren Bewohner*innen sich intensiv kennen und Kompromisse zu schließen.
Folgende Leitfragen sollten im Idealfall von der Gruppe vor dem Entwurf für ein konkretes Gebäude beantwortet werden:
- Über welche organisatorischen, fachlichen und zeitlichen Kapazitäten verfügt unsere Gruppe zur Entwicklung und Umsetzung des Konzepts für den Gemeinschaftsraum?
- Brauchen wir externe Unterstützung zur Konzeptentwicklung für den Gemeinschaftsraum (z. B. für die Moderation unseres Diskussionsprozesses, in Form von fachlicher Beratung in der Planungsphase)?
- Was will ich (mit anderen) im Gemeinschaftsraum machen, und welche Funktionen sind uns als Gruppe dabei besonders wichtig (Prioritätenliste)?
- Ergeben sich Rahmenbedingungen beim Konzept für den Gemeinschaftsraum durch z. B. Vorgaben des*der Investor*in, bauliche und rechtliche Gegebenheiten, oder durch finanzielle Einschränkungen?
- Soll unser Gemeinschaftsraum auch von Externen genutzt werden, und welche konzeptionellen Anforderungen ergeben sich dadurch?
- Welche Rechtsform wählen wir für die Organisation unseres Gemeinschaftsraums?
- Wollen wir die Wohnfläche der Privatwohnungen reduzieren, weil ein Gemeinschaftsraum vorhanden ist?
- Sollen Gäste im Gemeinschaftsraum untergebracht werden?
- Nach welchen Prinzipien (z. B. Gerechtigkeit, Solidarität) und wie sollen die Kosten für den Gemeinschaftsraum umgelegt werden (z. B. nach Personen, Haushalten oder Wohnfläche)?
- Wie können wir zur Senkung der Kosten für den Gemeinschaftsraum beitragen?
- Wie können spätere Nutzer*innen unseres Gemeinschaftsraums berücksichtigt werden, die nicht bei der Konzeption beteiligt waren?
- Wie können wir in der Wohnphase auf sich verändernde Nutzungsanforderungen an den Gemeinschaftsraum reagieren (z. B. Alterung, Fluktuation)?
Planung
Die Planung setzt das Konzept in bauliche Lösungen um. Welchen Einfluss die Bewohner*innen auf Größe, Grundriss, Einrichtung und Ausstattung haben, hängt nicht zuletzt von der Rechtsform des Projekts ab.
Für die Planung können euch folgende Leitfragen weiterhelfen:
- Hat unsere Gruppe Einfluss auf grundlegende bauliche Merkmale des Gemeinschaftsraums?
- Können wir uns in den Planungsprozess einbringen, auch wenn wir nicht selbst Bauherrin sind?
- Sind die Ziele und Prioritäten des Gruppenkonzepts für den Gemeinschaftsraum in der Planung berücksichtigt?
- Wo soll der Gemeinschaftsraum im Gebäude liegen und wie erreicht man ihn?
- Ist ein Außenbereich am Gemeinschaftsraum wichtig?
- Wie groß soll der Gemeinschaftsraum sein?
- Fördert der Grundriss die Kommunikation, und lässt er eine flexible Nutzung zu?
- Welche Bedeutung hat das gemeinsame Kochen für unser Projekt?
- Wie viel Stauraum brauchen wir im Gemeinschaftsraum (z. B. für Spiele, Bücher, Geräte)?
- Wie viel separater Lagerraum wird zusätzlich benötigt (z. B. für Stühle, Tische, Putzmittel)? Wo kann er gut zugänglich realisiert werden?
- Welcher Standard zur Barrierefreiheit des Gemeinschaftsraums soll gelten (z. B. DIN 18040-2)?
- Sind Lärmbelästigungen der Nachbarwohnungen und -häuser zu befürchten, und welche Schallschutzmaßnahmen sind ggf. erforderlich?
- Ist die Raumakustik in der Planung berücksichtigt oder wie kann sie optimiert werden?
- Wann sind Entscheidungen zur Materialwahl und Einrichtung zu treffen?
- Wie gehen wir mit divergierenden Vorstellungen bei der Gestaltung des Raums um (Geschmacksfragen)?
Betrieb
Wohnprojekte entwickeln Regelwerke für den Gemeinschaftsraum, die sich am Prinzip der Selbstorganisation orientieren. Funktionierende Kommunikation ist aber immer die Grundlage, um Konflikte z.B. über Lärmbelästigung, Ordnung und Sauberkeit oder bei der Raumbelegung zu vermeiden.
Im Unterschied zu den Leitfragen zum Konzept und zur Planung können die folgenden Fragen zur Organisation des Gemeinschaftsraums euch auch nach dem Einzug als Orientierung bei Problemen im laufenden Betrieb dienen:
- Wann wollen wir uns mit den organisatorischen Fragen zum Betrieb des Gemeinschaftsraums auseinandersetzen?
- Wie ist unser Selbstverständnis bei der Auseinandersetzung mit organisatorischen Problemen (Feste Regeln versus Kommunikation im Prozess)?
- Wen beziehen wir in die Diskussion und Entscheidungsfindung ein (z. B. auch Jugendliche und Kinder)?
- Sind Lärmbelästigungen bei der Nutzung unseres Gemeinschaftsraums zu erwarten? Wie können wir sie vermeiden und mit möglichen Konflikten umgehen?
- Wie können wir tragfähige Standards zur Ordnung und Sauberkeit im Gemeinschaftsraum, entwickeln und vermitteln (z. B. mit Checklisten oder Merkblättern)?
- Nach welchen Kriterien und Prioritäten entscheiden wir, wer den Gemeinschaftsraum nutzen darf?
- Wie organisieren wir die Belegung des Gemeinschaftsraums?
- Welche technische bzw. organisatorische Lösung wählen wir für den Zugang zum Gemeinschaftsraum?

