Grundlagen zur Wahl der RechtsformWichtige Fragen, um die passende Rechtsform zu finden

Die Wahl der Rechtsform hat ganz reale Auswirkungen auf die Gestaltungsmöglichkeiten eines gemeinschaftsgetragenen Vorhabens. Wir erklären, wie ihr euch diesem Thema nähern könnt und mit welchen Fragen ihr zur passenden Rechtsform findet.

Einführung

Für die Realisierung eines Wohnprojekts können grundsätzlich sehr unterschiedliche Rechtsformen in Betracht kommen. Eine Frage, die bereits relativ früh in der Projektplanung auftreten wird, ist die nach der Form der Eigentumsverhältnisse, die angestrebt werden soll. Wollt ihr als Gruppe selbst Eigentum erwerben? Soll dabei individuelles oder gemeinschaftliches Eigentum entstehen? Oder ist ein reines Mietprojekt in Kooperation mit Investierenden angestrebt? Hierbei wird nicht nur die finanzielle Ausstattung innerhalb der Gruppe entscheidend sein, sondern es kommt zunächst darauf an, was das Interesse der Gruppenmitglieder ist. Wie viel Risiko wollen sie auf sich nehmen? Welche Kompetenzen sind in der Gruppe vorhanden? Wie viel Freiheit braucht sie? 

Auch bei der Auswahl der Rechtsform, in der das Projekt realisiert werden soll, sind dann die Gruppeninteressen entscheidend. Zur Wahl stehen verschiedene Formen von Personen- und Kapitalgesellschaften und schließlich Kombinationen aus diesen Rechtsformen.

Ihr solltet euch hier von der Vielfalt der juristischen Gestaltungsmöglichkeiten nicht verunsichern lassen. Die Rechtsformen besitzen unterschiedliche Vor- und Nachteile, die abhängig von der jeweiligen Projekt-Konstellation unterschiedlich zum Tragen kommen. Welche Rechtsform letztendlich die passende für euer Projekt ist, kann durch eine gründliche Vorarbeit herausgefunden werden.

Empfehlenswert ist es, wenn ihr als Gruppe nicht zuerst die unterschiedlichen Rechtsformen diskutiert. Vielmehr solltet ihr gemeinsam ein Grundkonzept erarbeiten, wie ihr unabhängig von der etwaigen Rechtsform zusammenwohnen und -leben möchtet. Für grundlegende Entscheidungen sollte vorab die Zielrichtung formuliert werden. Dies kann anhand der folgenden Fragestellungen erfolgen.

Eine gemeinsame Zielrichtung formulieren

  • Was wollen wir gemeinsam tun?
  • Wie viele Teilnehmende sind im Projekt?
  • Wer soll dabei sein (Buchhaltung, Steuer-/Finanzberatung)? Als Teilnehmende oder Hilfe von außen?
  • Welches Maß an Ökologie ist gewollt und kann auf Dauer gelebt und ausgehalten werden?
  • Wie dauerhaft soll das Projekt sein?
  • Ist die Organisation eines Betreuungs- oder Pflegeangebotes für ältere Menschen vorgesehen?
  • Wie viel Nähe und Distanz ist gewünscht?
  • Wie regeln wir untereinander Kompetenzen und Verantwortung, Delegation und Rechenschaft? Welche Entscheidungsstrukturen wollen wir?
  • Welche Organe brauchen wir?
  • Wie binden wir uns in Solidarzusammenhänge ein (Kooperationen, Mitgliedschaft in einem Verband o.ä.)?
  • Welche Eigentumsform streben wir an? (Individualeigentum, gemeinschaftliches Eigentum oder wollen wir zur Miete leben?)

    Bei Projekten in gemeinschaftlicher Trägerschaft:

  • Wie erfolgt der Eigenkapitaleinsatz?
    • Zur Mietsenkung für den einzelnen?
    • Zur Mietkostensenkung für das Gesamtprojekt?
  • Was bekommen die Einzelnen beim Austritt, Ausscheiden oder der Auflösung der Gemeinschaft zurück (Spekulationsverhinderung)?
  • Sollen Mitbestimmung und Einfluss von der Höhe der Einlage abhängig sein?
  • Wie verteilen wir Gewinne und Verluste?
  • Wie soll die Haftung sein? Wo sollen Haftungsbeschränkungen greifen? Der einzelnen Personen, der Gemeinschaft, …?
  • Wie kann man austreten?
  • Wann muss man ausscheiden?
  • Erhält man sein Kapital zurück?
  • Was geschieht im Todesfall? Haben die Erbenden Ansprüche?
  • Kann die Gemeinschaft aufgelöst werden?
  • Wollen wir ein Mediationsverfahren?
  • Wollen wir ordentliche Gerichtsbarkeit oder ein selbst gewähltes Schiedsverfahren?
  • Welche Vorstellungen bestehen hinsichtlich der baulichen Gestaltung (flexible Nutzung von Räumen und/oder Wohnungen, Barrierefreiheit, Gemeinschaftsräume)?

Vorbereitungen und Grundwissen über Rechtsformen

Zusätzlich zur Beantwortung der obenstehenden Fragen könnt ihr euch mit den Grundformen der unterschiedlichen Rechtsformen vertraut machen und euch ein Bild von den jeweiligen Chancen und Risiken machen. Alles scheint zunächst möglich: eine GbR, ein Verein, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, eine Genossenschaft oder gar eine Stiftung oder GmbH? In unseren Wissensartikeln werden die in Betracht kommenden Rechtsformen im Detail dargestellt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es zwar Grundmodelle der unterschiedlichen Rechtsformen gibt, diese aber in vielen Bereichen abweichend gestaltet werden können. Im Gesellschaftsrecht, in dem die Rechtsformen weitestgehend geregelt sind, herrscht ein sogenannter Typenzwang, d.h. dass jede Gesellschaft einer bestimmten Gesellschaftsform zugeordnet werden muss. Mischformen kann es nur geben, wenn sie gesetzlich zulässig sind. Trotzdem lässt das Gesetz einen erheblichen Gestaltungsspielraum, der auch für unkonventionelle Lösungen mitunter geschickt genutzt werden kann. Mit „Standardlösungen“ wird man bei der Gestaltung von Wohnprojekten in den seltensten Fällen Erfolg haben. 

Tipp: Rechtsberatung suchen

Mit der hier empfohlenen Vorbereitung und einem Grundwissen über Rechtsformen könnt ihr sehr gezielt Rechtsberatung in Anspruch nehmen. Ihr solltet allerdings darauf achten, innerlich nicht schon eine Vorentscheidung für eine Rechtsform getroffen zu haben, bevor ihr eine juristische Beratung in Anspruch nehmt. Daher ist es wichtig, juristischen Rat nicht zu spät einzuholen. 

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Spezialisierte bzw. für Gestaltungsfragen offene Rechtsanwält*innen oder Notar*innen machen sich anhand eurer Vorbereitung ein Bild, welche Rechtsform geeignet sein könnte. Sie entwerfen ein Modell, mit dem ihr so viele gewünschte Aspekte wie juristisch möglich realisieren könnt.

Durch die detaillierte Vorbereitung befindet ihr euch auf gleicher Augenhöhe mit der Rechtsberatung. Ihr könnt gezielt fragen, wie eure Wünsche umgesetzt werden können und euch Gestaltungsvarianten erläutern lassen. Alternativen können diskutiert werden. 

Seid ihr euch grundsätzlich einig, welches Modell ihr realisieren möchtet, könnt ihr die Rechtsberatung mit der Erstellung des jeweiligen Vertrages oder der Satzung etc. beauftragen. Anhand des erstellten Entwurfs geht ihr in die nächste Phase der Diskussion. Ist die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag ausformuliert, stellen sich meistens noch zahlreiche Detailfragen, die zunächst in der Gruppe und dann in der juristischen Beratung durchgesprochen werden müssen. Erst nach Abschluss dieser Phase wird der Vertrag oder die Satzung von den Mitgliedern unterzeichnet und ist wirksam. 

Vorbereitung der Satzung

Wenn die Gruppe dies leisten kann und will, wird es zur Vorbereitung für die Ausarbeitung der Satzung (bzw. des Gründungsvertrages) sinnvoll sein, wenn sie einige Grundentscheidungen für den Vertragstext für sich vorab klärt. Im Einzelnen weichen die Anforderungen an die Satzungen und Vertragstexte ab. Folgende Grundfragen treten jedoch in aller Regel immer auf: 

  • Präambel – Leitgedanke der gemeinsamen Initiative
  • Zweck (soweit es um gemeinnützige Inhalte gehen soll)
  • Entscheidungsfindung innerhalb der Gruppe
  • Vertretung gegenüber Dritten
  • Auflösung und Ausstieg

Die Rechtsformänderung im Projektverlauf

Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind keine statische Angelegenheit, was sich auch in der Wahl der geeigneten Rechtsform widerspiegeln muss. Die Projektentwicklung von der ersten Phase des Zusammenfindens der Interessierten bis zur Projektrealisierung macht es immer wieder einmal notwendig, dass die Rechtsform im Laufe des Projekts angepasst wird. Eine Rechtsform, die in der ersten Phase passend ist, muss es nicht zwingend auch später sein. 

Rechtsformen können aktiv für das eigene Projekt eingesetzt werden. Wird beispielsweise zunächst eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, geht sie später in eine Wohnungseigentümergemeinschaft über; oder zur Entwicklung des Projekts wird ein Verein gegründet, später für die Realisierung kommt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts hinzu.

Mit den Rechtsformen gestaltend umzugehen und deshalb die zur jeweiligen Projektphase passende Rechtsform zu wählen, solltet ihr im Bewusstsein haben. Gleich zu Beginn sollte auch daran gedacht werden, wie die Ziele der Anfangsphase und die soziale Substanz im Projekt gepflegt und erhalten werden können.

Tipp: Satzung/ Vertrag gelegentlich überprüfen

Auch wenn die endgültige Rechtsform gefunden ist, kann es lohnend sein, die Satzung oder den Vertrag nach einigen Jahren wieder durchzugehen. Was waren die Ideale, die die Gruppe in der Gründungsphase motiviert haben? Inwieweit stimmt das tatsächliche Geschehen mit dem ursprünglich Gewollten überein? Sind Veränderungen oder Ergänzungen notwendig? 

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Autor*in
Rolf Novy-Huy

Rolf Novy-Huy, Bankkaufmann, hat viele Jahre als Finanzierungsberater für Wohnprojekte gearbeitet und war Mitbegründer und langjähriger Geschäftsführer der Stiftung trias.

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